Menschliche Gedanken über die physikalische Zeit Impuls 12

Es sollte uns eigentlich wundern, dass die Zeit nicht umkehrbar ist, denn den grundlegenden physikalischen Gleichungen der Mechanik ist die Zeitrichtung egal. Aber so, wie Wärme nur vom Heißen ins Kalte fließt und nicht umgekehrt, so geht die Zeit von der Vergangenheit in die Zukunft und nicht umgekehrt. Bei jedem Vorgang, bei dem Wärme eine Rolle spielt, geht ein Teil der ursprünglichen Ordnung in Unordnung über, aber dass sich Unordnung spontan von allein ordnet sehen wir nicht. Das ist die Zeitrichtung: Von 2 Zuständen ist der der spätere, der die größere Unordnung oder Entropie besitzt. Morgens sind alle Bauklötzchen der Kinder in einem Eimerchen und wir wissen also, wo sie sind. Je später es wird, desto mehr sind die Klötzchen verstreut und wir wissen nicht mehr, wo sie sind. Die Zeit drückt aus, wie viele Möglichkeiten es gibt, die wir nicht kennen, solange wir nicht genau zählen. Die Klötzchen-Entropie ist also die Anzahl der Mikrozustände d.h. all die Möglichkeiten, wo überall die Klötzchen liegen könnten. Der Makrozustand ist gut bekannt: Alle Klötzchen sind im Kinderzimmer. Es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass jede Woche irgendjemand in der Lotterie gewinnt. Wer genau gewinnt, ist dagegen nicht vorhersagbar. Daran erkennt man, dass die Zeit ein Durchschnittswert aller möglichen Prozesse ist, nichts Eigenständiges.

Wir messen niemals die Zeit selbst, sondern immer nur physikalische Abläufe, Pendelbewegungen, Schwingungen. Galilei hat, so geht die Legende, während der Messe die Pendelbewegungen des großen Kronleuchters mit der Anzahl seiner Pulsschläge verglichen. Die Zeit selbst ist nichts, was man messen kann. Es gibt nur solche Vergleiche.

Noch ein Zweites kann uns wundern: Dass nämlich von zwei extrem genau gehenden Uhren, immer die schneller geht, die höher steht. Die Uhr im 1. Stock geht schneller als die im Keller. Einsteins Erklärung: Massen –  im Beispiel die Erdmasse – machen alle Prozesse langsamer.  Und wenn wir die Uhr mitnehmen, während wir in einem Raumschiff die Erde ein paarmal umkreisen, dann geht unsere Uhr im Vergleich zu einer auf der Erde gebliebenen etwas nach, wenn wir wieder gelandet sind. Und wenn wir, was unmöglich ist, mit Lichtgeschwindigkeit geflogen wären, wäre für uns gar keine Zeit vergangen. Das Licht altert nicht, es kennt nur den gegenwärtigen Augenblick.

Zur Erklärung sei gesagt, dass Raum, Zeit und Schwerkraft in einer komplizierten Geometrie miteinander verwoben sind. Das Gravitationsfeld ist die Raumzeit oder die Raumzeit ist das Gravitationsfeld. Die Raumzeit krümmt sich stärker dort, wo mehr Materie konzentriert ist. Deshalb geht die Uhr im Obergeschoss schneller als die im Keller. Jedes Objekt im Universum hat seinen eigenen Zeitverlauf und das ist das Gravitationsfeld, das ihn vorgibt.

Die Welt ist nicht ein riesiger Kasten, in dem Sterne herumfliegen und wo an der Wand eine riesige kosmische Uhr die Zeit anzeigt, sondern die Welt besteht aus Wechselwirkungen und sonst nichts. Nur wenn wir aus großer Entfernung einen verschwommenen Blick auf die Welt werfen, scheint es uns, als gäbe es Raum und Zeit.

Carlo Rovelli schreibt: “Die Wärme der schwarzen Löcher ist wie der Rosetta Stein in der Physik, geschrieben in einer Kombination von 3 Sprachen – Quantenmechanik, Gravitationstheorie und Thermodynamik und wartet noch darauf, entziffert zu werden, um die wahre Natur der Zeit zu offenbaren.” (Übersetzung von K.B.)

Dies alles sagt uns, dass alles in der Tiefe anders ist, als es uns an der Oberfläche erscheint und dass wir also bei allem was wir tun, nicht nur den Verstand sprechen lassen sollten, sondern auch die Seele.

K.B.

 

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4 Gedanken zu „<span class="entry-title-primary">Menschliche Gedanken über die physikalische Zeit</span> <span class="entry-subtitle">Impuls 12</span>“

  1. Das Rovelli-Zitat möchte ich etwas erläutern:
    Die “Wärme der schwarzen Löcher” entspricht dem Dekret auf dem Rosetta Stein. Wir haben zwar drei Versionen in den nämlichen Sprachen, verstehen aber nicht, wie diese drei “Texte” Ausdrücke ein und desselben “Dekrets” sein könnten. Würden wir es verstehen – so die Hoffnung Rovellis – verstünden wir auch die Natur der Zeit.
    Der Blog-Beitrag bezieht sich auf zwei Aspekte der Zeit, die uns wundern lassen könnten, die zwei der Sprachen im Zitat entsprechen: Zunächst die sogenannte Irreversibilität der Zeit, dass die Zeit also nicht umkehrbar ist, wie sie die Thermodynamik erklärt. Das zweite, das uns wundern lassen kann, ist die Zeit in der Gravitationstheorie. Dass uns die Quantenmechanik wundern lässt, ist schon in vergangenen Blog-Beiträgen diskutiert worden. Dies sind also die drei Sprachen. Jede lässt uns wundern, was Zeit in ihr bedeutet. Aber für jede “Sprache” scheint Zeit etwas anderes zu sein. Will man dann ein Phänomen, wie die Wärme schwarzer Löcher verstehen, muss man verstehen, inwiefern die drei Sprachen vom selben sprechen, wenn sie von Zeit sprechen. Bisher ist dieser “Rosetta-Stein” der Physik nicht entschlüsselt, das Wunder der Vereinigung der drei Wunder nicht vollbracht.

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  2. Zeit ist auch eine menschliche Erlebensweise.
    Denken, Fühlen, Biographien verlaufen jeweils entlang eines Zeitpfades.
    Dazu habe ich mir vor einiger vor Zeit (!) Gedanken gemacht:
    https://www.corvuspalatinus.de/zeit-und-dynamik/

    Zeit erlebt man unmittelbar in der Musik (im Hintergrund läuft gerade eine CD mit irisch-keltischer Musik). Musiktheoretiker mögen über Folgendes lächeln, vielleicht aber nachempfinden: Die weiten, für diese Tradition typischen Melodiebögen und Harmonien ziehen sich mehrere Sekunden bis zu unvermittelten Ausbrüchen, die gleich wieder zurückfallen. Das Zeitempfinden gleicht beide Elemente an, indem erstere verkürzt, letztere als verlängert empfunden werden.

    Zeitempfinden wird durch das Geschehen in den einzelnen Zeitintervallen moduliert.

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  3. Mit Erstaunen lese ich, dass die Zeit von der Vergangenheit in die Zukunft geht und nicht umgekehrt. Es ist aber doch so, dass das, was einmal Zukunft war, zur Vergangenheit wird. Also geht die Zeit von der Zukunft in die Vergangenheit. Alle wissen, wie es ist, aber die Beschreibung führt leicht auf Scheinprobleme. Wichtig zu wissen ist nur, dass es jetzt schon später ist, als vor ein paar Augenblicken und dass es vielleicht überhaupt schon später ist, als wir denken.

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    • Wir lernen aus dem Blogbeitrag, dass wir noch gar nicht verstanden haben, was Zeit ist und fragen uns schon, was die richtige Richtung sei, in die die Zeit geht 🙂 . Ich denke, mit der Zeit ist es wie mit einem Vexierbild, in dem wir je nach Sichtweise mal das eine, mal das andere Bild sehen. Setzt sich Vergangenheit in die Zukunft fort oder wird Zukunft zur Vergangenheit? Ich denke beides prägt die Gegenwart: Sowohl das, was sich ursächlich aus der Vergangenheit fortschreibt als auch das, was sich an Möglichem realisiert. Ersteres nennen wir Evolution: Eins folgt aufs andere. Letzteres könnte man dann vielleicht Involution nennen: Mögliches, vielleicht auch Absichtsvolles erscheint in der Realität.

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